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Die schönsten Bücher 1972

1972 – ein epochales Jahr. In der Bundesrepublik versuchten die konservativen und reaktionären Kräfte der CDU/CSU, am 27. April die Regierung zu stürzen. Dies misslang – unter Umständen, die einem Thriller gleichkamen. Ein halbes Jahr später, am 19. November, fand nach einer beispiellosen Polarisierung und Mobilisierung die Bundestagswahl statt, die die sozialliberale Koalition unter Kanzler Willy Brandt (SPD) und Außenminister Walter Scheel (FDP) triumphal gewann und danach noch ein ganzes Jahrzehnt an der Macht blieb – unter diesen beiden Politikern allerdings nur noch eineinhalb Jahre.

Richard Nixon gewann die Wahlen in den USA. Der Vietnamkrieg eskalierte immer weiter bis zu den schrecklichen Weihnachtsbombardements.

Die Sommer-Olympiade in München, die erste in Deutschland seit 1936, begann mit Tagen des Sports, die man sich schöner nicht hätte vorstellen können, bis der blutige Anschlag des “Schwarzen September” auf die israelische Mannschaft die Welt in Angst und Schrecken versetzte.

Die schönsten deutschen Bücher 1972

Die fünfzig Bücher 1972
Stiftung Buchkunst, Frankfurt am Main


Wenn man die Arbeit der Stiftung Buchkunst über die Jahre hinweg verfolgt und 1972 kurz innehält, wird (im wahrsten Sinne) augenscheinlich, mit welchen Mitteln durch den Wettbewerb „Die schönsten deutschen Bücher” (in den 70ern nur: „Die fünfzig Bücher”) Politik gemacht wurde.

„Politik” zum einen im Sinne von Beeinflussung des Verbraucherverhaltens. Die massive Propagierung von Taschenbüchern war eindeutig im Interesse der beiden hinter der Stiftung stehenden Unternehmensgruppen, nämlich des Buchhandels und der Druckereien. Der dritte Gesellschafter der Stiftung (der Minderheitspartner), die Deutsche Bibliothek, konnte nicht derjenige sein, der Paperbacks förderte, waren sie doch für den Verleih eher schlecht geeignet.

Die Stiftung Buchkunst versuchte dermaßen massiv, Taschenbücher auf den Markt zu drücken, dass die meist ein, zwei Jahre vorausgehenden, viel hochwertigeren Veröffentlichungen der gebundenen Ausgaben schlichtweg übergangen wurden. Den theoretischen Fall, dass die Verlage ihre gebundenen Ausgaben der Stiftung Buchkunst vorenthielten, aber die Paperbacks einschickten, kann man getrost vernachlässigen.

„Politik” zum zweiten auch im engeren Sinne: Anfang der 70er Jahre musste alles irgendwie links sein, was eine Chance auf Prämierung haben sollte. Dies galt für nicht nur für die gesellschaftswissenschaftlichen Bereiche im eigentlichen Sinne. Auch für Kinderbücher war ein „kritischer” Ansatz sehr förderlich.

Auch ganze Literaturgattungen, an denen man nichts Gesellschaftskritisches, nichts Klassenkämpferisches entdecken konnte, blieben außen vor. So wurden schon lange keine Reisebücher mehr ausgezeichnet. Das führte dazu, dass häufig vorkommende Simultanveröffentlichungen in der Schweiz und der BRD nur im Wettbewerb „Die schönsten Schweizer Bücher” ausgezeichnet wurden, wie etwa das Kinderbuch ... (zu religiös?) oder die Impressionen aus Griechenland (zu volkstümlich?). Auch Thriller und die in dieser Zeit sehr beliebten Spionageromane wurden „übersehen” (zu trivial?)

Zum vorliegenden Auswahlheft 1972 als buchhandwerkliche Leistung. Der Umschlag und das Papier sind fantastisch.
Die Umschlagillustration nimmt den Korridor des Vorjahres wieder auf (wie auch die parallel erschienene Publikation
„20 Jahre Buchkunst”), diesmal mit einem besseren Kontrast von Grafik und Text. Nicht gelungen ist die Reproduktion der Buchseiten im Inneren. Diese kommen häufig zu grau, teils auch noch für dasselbe Buch mit stark unterschiedlichen Grauwerten.

Das Vorwort ist diesmal im Vergleich mit den Vorjahren geradezu ausufernd und wird im Folgenden besprochen.

Das Wirken der Jury war auch zur damaligen Zeit häufig umstritten. Alle paar Jahre ging man im Vorwort des Heftes auf diese Kritik ein. So wie früher Bertolt Hack tat dies jetzt Hans Peter Willberg.

Willberg bemängelt die Anzahl der Einsendungen zum Wettbewerb, die ihm gering zu sein scheint (meint aber auch in einem merkwürdigen Widerspruch, eine größere Anzahl sei gar nicht zu bewältigen). Tatsächlich sind angesichts des riesigen Buchmarktes der Bundesrepublik 451 eingesandte Titel etwas dürftig.

Sehr aufschlussreich ist die selbstgerechte Reaktion von Willberg. Den Verlagen, die (wie es ja heute – 2017 – auch der Fall ist), die Stiftung Buchkunst links liegen lassen, wirft er „Trägheit”, „Anti-Einstellung” und „Vorurteile” vor. Insbesondere sei es nicht richtig, dass „doch immer die gleichen prämiert” würden, wie die Kritiker behaupteten.

Tatsächlich ist genau dies aber aus der Sicht des Chronisten der Fall. Es sind klare Präferenzen nicht nur inhaltlicher Art, sondern auch in Hinsicht auf die Gestaltung und bestimmte Buchgestalter erkennbar.

Dabei werden sogar eigene, einmal aufgestellte Auswahlkriterien einfach fallengelassen, wenn man offenbar jemanden auszeichnen wollte. So war in den Vorjahren erklärt worden, dass Reihen, also gleich oder sehr ähnlich gestaltete Bücher nicht nochmals in den Folgejahren berücksichtigt werden könnten. Das mag bis zu einem gewissen Grad sinnvoll erscheinen, weil man ja etwas Neues, eine Weiterentwicklung sehen wollte. Tatsächlich wurde aber der Band „Ernst Bloch” ausgezeichnet, der an sich schon nichts Besonderes und auch wegen der Typographie schwer zu lesen, vor allem aber ein Klon von „Adorno” aus dem Vorjahr war.

Beide Bände waren gestaltet von Juergen Seuss, der häufig bei den Prämierungen zum Zuge kam und nebenbei auch Mitglied der Jury war. Reiner Zufall, dass Juergen Seuss aus Niddatal bei Frankfurt auch für die ebenfalls oft ausgezeichnete und wie die Stiftung Buchkunst in Frankfurt ansässige Büchergilde Gutenberg arbeitete?

Ebenso war es mit dem Taschenbuch „Brüder im All” von Heinz Haber. Da lag das sehr ähnlich gestaltete Taschenbuch „Unser blauer Planet” immerhin schon 5 Jahre zurück. Und genauso wie damals wurde die zwei Jahre vorher (als auch die Erkenntnisse noch aktueller waren) erschienene, sicher „schönere” und wertigere, gebundene Ausgabe von „Brüder im All”. missachtet. Der Satzspiegel von „Brüder im All” aus der rororo-Reihe ist so schlecht auf die bekannt unpraktische rororo-Bindung abgestimmt, dass man den Rücken aufbrechen muss, um die Zeilen richtig lesen zu können.

Die „Grünverschlossene Botschaft” von H. C. Artmann und Ernst Fuchs erschien 1967 in einer wundervollen gebundenen Ausgabe im Residenz Verlag Salzburg erschien. Das war zwar in Österreich, warum aber jetzt ein (wie man weiß, schnell schief gelesenes) Suhrkamp Taschenbuch eine aufsehenerregende Veröffentlichung sein sollte, ist schwer ersichtlich.

Deutlich als 1972 konnte man es kaum machen, dass die „Stiftung Buchkunst” keine unabhängige Organisation war, sondern eine Lobbyorganisation des Buchgewerbes – und massiv den Verkauf der umsatzbringenden Taschenbücher förderte.

Sehr viel Geld ließ sich auch mit den extrem auflagenstarken Schulbüchern und den teuren Bilderbüchern verdienen. Und diese Kategorien werden ausgiebig in den Katalog aufgenommen. Dass Schul- und Kinderbücher 13 von 52 ausgewählten Büchern ausmachten, scheint deutlich überrepräsentiert, findet aber seine Entsprechung etwa auch in Österreich.

Was man nun bei der Stiftung Buchkunst auch offen fallen ließ, war die jahrzehntelang wiederholte und nie glaubhafte Aussage, der Inhalt der Bücher sei bei der Auswahl ganz ohne Belang. Die vormalige Weigerung, eine selbstverständliche Gegebenheit einzugestehen, wurde nun ersetzt durch die marxistisch inspirierte, sprachlich überstiegen wirkende Konstruktion eines dialektischen Verhältnisses von „Buch-Inhalt” und „Buch-Form”. Dieses „schwierigste Problem” der Jury sei für die Beurteilung entscheidend. Mit reinem „Selbstzweck-Ästhetizismus” habe „dieser Wettbewerb nichts zu tun.”

Wie stramm links das Programm der Stiftung Buchkunst war, womit die Mehrheitsströmung der damaligen intellektuellen Szene der BRD zum Ausdruck kam, zeigten zum Beispiel die Veröffentlichungen des Kampfes gegen den „britischen Imperialismus” in Nordirland (Fischer Taschenbuch) sowie das Paperback des doch eigentlich bürgerlich-kapitalistischen Hanser Verlages mit dem Titel „Modell DDR. Die kalkulierte Emanzipation”. Ausgerechnet „Emanzipation”.

Der neomarxistische Philosoph Ernst Bloch wurde schon erwähnt. Konservative Autoren kamen zwar ebenso mit Publikationen auf den Markt, aber diese wurden prinzipiell von der Jury nicht beachtet.

Darüber hinaus blieben, wie oben schon erwähnt, blieben ganze Literaturgattungen außen vor. Groß war hingegen war im Bereich der Belletristik das Interesse an den „enfants terribles” aus Österreich. Elfriede Jelinek wurde schon geehrt, Peter Handke kam diesmal dran und Thomas Bernhardt war wohl nur eine Frage der Zeit. 1972 war Österreich aber auch mit dem schönsten Buch dies diesjährigen Wettbewerbes vertreten: „Regentag” von Friedrich Hundertwasser. Und die „Grünverschlossene Botschaft” war bereits 1967 auch in Wien ausgezeichnet worden.

Auffällig auch wieder, welche Faszination solche Veröffentlichungen auf die Jury ausübten, die sich der Pornographie und exotischen Spielarten der Sexualität, aber auch der Obszönität widmeten.

Immerhin begab sich der Wettbewerb tendenziell wieder in ruhigeres Fahrwasser, was die Seitengestaltung betraf. Laut Hillberg dominierten 1972  wieder "'klassische' typographische Vorstellungen", die Zeit der ganz "wilden" Experimente schien – vorerst – vorbei zu sein.

Frappierend ist allerdings, welche handwerklichen und technischen Mängel immer wieder übergangen wurden, wenn nur die Richtung oder der Autor stimmte.

Peter Handke: Der kurze Brief zum langen Abschied

Peter Handke: Der kurze Brief zum langen Abschied

Das Buch als handwerkliches Produkt an sich hätte ein großer Wurf werden können. Der Umschlag kommt spektakulär. Die englische Broschur ist vorne und hinten dreifach gefaltet, von Willy Fleckhaus, einem der besten deutschen Designer, graphisch hervorragend gemacht (genial z. B. das minimal eingerückte ABSCHIED), mit einer schönen Gouache des österreichischen Künstlers Peter Pongratz illustriert und im Inneren mit einer Landkarte der USA ausgestattet, die die Reise des Protagonisten von der Ost- an die Westküste zeigt. Vorderer und hinterer Umschlag zeigen allerdings dasselbe.

Ein Gemälde auf den Titel eines Romans zu bringen, das machte damals Furore. Dieses Buch war das erste des Suhrkamp Verlages, mit dem dieser Schritt vollzogen wurde, der heute selbstverständlich erscheint, aber 1972 einer Revolution gleichkam. Bis dahin stand bei Suhrkamp nur Text auf der vorderen Umschlagseite.

Das Material des Einbandes ist lappig, aber auch wundervoll weich und griffig. Jedoch ist die Laminierung derartig schlecht, dass sie sich schon bei der geringfügigsten Benutzung des Buches von den Seiten her löst.

Aber was sind das für unglaubliche Fehler im Satz? Beständig entsteht links ein Flatterrand (z. B. auf den Seiten 9, 11, 29). Es wirkt so, als hätte man Folien auseinander geschnitten – anders geht die Korrektur von Filmsatz ja auch nicht – aber  nicht exakt bündig wieder aufgeklebt. Abstände zwischen Wörtern existieren vielfach gar nicht, teils sind sie grotesk groß (Seite 30). Dann wieder sind Abstände zwischen Wörtern in einer Zeile nicht immer gleich groß. Das Satzzeichen Doppelpunkt steht durchgängig in der Mitte zwischen zwei Wörtern.

Was wurde hier ausgezeichnet? Handwerkliche Qualität wohl nur bedingt. –

Zur Person des Autors. Lange als österreichischer Bürgerschreck im bundesdeutschen Literaturbetrieb gefeiert, zog Handkes Solidarität für die serbischen Verantwortlichen des Bürgerkrieges in Ex-Jugoslawien, immerhin für Personen, die vor dem Kriegsverbrecher-Gericht in Den Haag angeklagt wurden, starke Kritik nach sich. Erstaunlich, wieviel Unterstützung er dennoch fand und weiterhin findet und wie wichtig der Literaturszene in solchen Fällen die „Freiheit der Kunst” ist.

Zum Text. Liest man heute den vorliegenden Text und interessiert einen mehr als das Brechen von Tabus, wird einem der Stellenwert von Peter Handke im Literaturbetrieb nicht klar. Sicher blitzt hier und da wirkliches erzählerisches Können auf, vor allem wenn in einzelnen Szenen eine literarische Version des typisch österreichischen „Phantastischen Realismus” hereinbricht. Sehr stark auch die Beschreibung der amerikanischen Kultur (weniger überzeugend aber, dass der Verfasser eingestandenermaßen an einigen der Schauplätze, die er im Detail beschreibt, gar nicht zugegen war).

Alles wird aber getrübt durch die ordinäre (in beiderlei Bedeutung des Wortes) Sprache und durch die exzessive und nicht endenwollende Selbstbespiegelung eines beschädigten, in sich selbst und seinen Kindheits-Traumata gefangenen, in  sich gegenseitig unentwirrbar durchdringenden, realen und imaginierten Halbwelten existierenden Mannes, der neben anderen Tätigkeiten, die man nicht unbedingt erfahren will, schon mal seine Frau schlägt.

Positivere, zeitgenössische Rezensionen der professionellen Kritiker: Peter Hamm, Hellmuth Karasek.

Verkaufen ließ sich Handke jedenfalls hervorragend. Die Erstauflage brachte bei 25.000 Exemplaren und einem Stückpreis von 16,80 DM immerhin fast eine halbe Million DM. Die zweite Auflage dieser Ausgabe, die bereits ein Jahr später herauskam, ging nicht mehr so gut und ist derzeit (2017) weiterhin für 14,80 € erhältlich. Schon 1974 gab es den Text auch als Taschenbuch, das viele Auflagen erfuhr.

Friedensreich Hundertwasser: Regentag

Friedensreich Hundertwasser: Regentag

Zweifellos das schönste Buch im BRD-Wettbewerb 1972.

Im Prinzip ist der Band eine Begleitdokumentation des Filmes „Hundertwassers Regentag” von Ulrich Schamoni, der während der 

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Jungfernfahrt des Schiffes „Regentag” entstand. Mit an Bord war auch der Maler und Fotograf Manfred Bockelmann.

Die ganze Aufmachung ist hervorragend. Der Verlag wählte tiefschwarzes, 170 g schweres, halbmattes Papier, auf dem die Farbbilder von Friedensreich Hundertwasser (1928–2000) in

phantastischer Qualität, gestochen scharf und tief gesättigt wiedergegeben werden.

Den Farbreproduktionen werden Farb- als auch Schwarz-Weiß-
Fotografien von Manfred Bockelmann hinzugefügt. Es ergeben sich teilweise einfache Ergänzungen und Gegenüberstellungen, teilweise aber auch Überblendungen und Doppelbelichtungen.

Im Ergebnis ähnelt das rundum gelungene Buch einem Kaleidoskop, das in genialer Weise die Persönlichkeit des Künstlers Hundertwasser wiedergibt.

Friedensreich Hundertwasser (eigentlich Friedrich Stowasser) war ein Unikum und passte nicht so recht in die insolente linke Publizistik, die den BRD-Wettbewerb damals prägte.

Hundertwasser sagte im Film: „Die Leute sind nicht vorbereitet, etwas Schönes zu sehen. Wenn man das Paradies zeigt, bevor die Revolution gesiegt hat, gilt man als Verräter. Vielleicht bin ich ein Verräter, der, statt ständig zu kritisieren oder zu zerstören, etwas aufbauen und den Menschen einen Weg weisen will in eine Welt, wie ich mir halt eine bessere Welt vorstelle.” (S. 63)

Aber man kam an Hundertwasser (und diesem wunderbaren Buch) nicht vorbei. Der Mann war mit seiner Kunst und seinem ganzen Auftreten so besonders, dass das Eskapistische seiner Werke offenbar nicht so ins Gewicht fiel.

Heinz Haber: Brüder im All

Heinz Haber: Brüder im All

Heinz Haber wurde hier schon bei der Auswahl der schönsten Bücher 1967 vorgestellt.

Sieht man davon ab, dass die Aufmachung des 1967 ausgezeichneten Buches “Unser blauer Planet” identisch ist, so liegt mit “Brüder im All” doch ein wundervolles Taschenbuch vor. Großzügige Ausstattung mit hochwertigen, überwiegend farbigen Illustrationen sowie ein verständlicher und dennoch aufregender populärwissenschaftlicher Text.

Die 1970 erschienene Hardcover-Ausgabe bei DVA wäre dennoch aufgrund ihrer in jeder Hinsicht höheren Qualität als Buch zu bevorzugen gewesen. Aber die Stiftung Buchkunst schrieb sich im aktuellen Zeitraum die Förderung des Taschenbuches auf die Fahnen. So zählte hier nur ein Kriterium: der Preis.

Damals war es in der Wissenschaft noch umstritten, ob außerirdisches Leben in anderer als höchstens primitiver Form möglich ist oder ob nur die Erde die speziellen Bedingungen für hochentwickeltes Leben bietet.

Der intelligente Haber beweist schlüssig, dass es im ganzen Universum “Millionen und aber Millionen” andere Planeten geben muss, die entwickelte Lebensformen hervorbringen können.

Haber irrte nur darin, dass er es aufgrund der gewaltigen Entfernungen für praktisch ausgeschlossen hielt, diese Planeten jemals von der Erde aus beobachten zu können. Tatsächlich gibt es heute (2017) die Möglichkeit, aufgrund von winzigsten Schwankungen im Licht von Sternen, die beim Vorüberziehen von Planeten entstehen, die Möglichkeit des Nachweises solcher Himmelskörper.

Und in Bezug auf unser eigenes Sonnensystem bedachte  Haber nicht, dass Leben auch auf den Monden von Saturn und Jupiter möglich sein könnte.

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Ernst Bloch: Freiheit und Ordnung

Der Band enthält Auszüge aus verschiedenen Schriften des neomarxistischen Theoretikers Ernst Bloch (1885–1977), leider nicht aus seinen beiden Hauptwerken “Thomas Müntzer” und “Das Prinzip Hoffnung”. Die Sinnhaftigkeit solcher Zusammenstellungen war immer schon zweifelhaft.

Das Buch ist handwerklich ein exaktes Duplikat des Bandes Theodor W. Adorno: Eine Auswahl aus dem Vorjahr. Dieselbe Schrift, derselbe Satzspiegel, dasselbe Papier, dasselbe Einbandmaterial, derselbe silberne Schutzumschlag (leider aber diesmal – im Gegensatz zu anderen Ausgaben des Buches – ohne Bild des Autors). Besser hätte die Stiftung Buchkunst wohl nicht deutlich machen können, welche Präferenzen sie für bestimmte Verlage und Gestalter hatte und wie sie mit der Auszeichnung einer (natürlich linken) Quasi-Reihe gegen die eigenen Richtlinien verstieß.

Auch inhaltlich gibt es Übereinstimmungen. Wie bei Adorno, wenn auch weniger stark ausgeprägt, findet man auch bei Bloch eine gewisse Verachtung der Massen, Entsetzen über ihre fehlende Bildung, Unverständnis über ihre Unfähigkeit, ja, ihre Weigerung, Revolution zu machen. Auch in der Sprache sind die Texte ähnlich unzugänglich.

Bloch gilt als “neomarxistisch”, zeigt sich aber dann doch in seinen Schriften der 20er und 30er Jahre in einer verkürzten und falschen Sicht des Faschismus als Büttel des Kapitals als “vulgärmarxistisch”.

Gewiss hatte Ernst Bloch Verdienste als Gegner des Stalinismus. In einem der Texte des Buches rechnet er zum Beispiel mit dem berüchtigten deutschen Kultur-Stalinisten Alfred Kurella ab. Dennoch beging auch er den Kardinalfehler: den Glauben an den "Sozialismus als Wissenschaft".

Heinz Maegerlein / Thilo Koch / Martin Morlock: Olympische Spiele 1972

Heinz Maegerlein / Thilo Koch / Martin Morlock:
Olympische Spiele 1972

Schön, dass auch mal ein „einfaches” Buch für die breiten Massen ausgezeichnet wurde. Insgesamt ist der Band auch eher konventionell gemacht. Aber die Büchergilde Gutenberg wählte wundervolles Papier aus und der Gestalter Juergen Seuss verpasste dem Werk ein insgesamt modernes und angenehmes Layout. Die Schrift Helvetica passt hier optimal. Toll auch der Schutzumschlag mit dem Photo finish.

Aber die Bildlegenden scheinen wegen dem kleinen und engen Text nicht optimal. Und dass man häufig die richtige Zuordnung von Bildern und Legenden suchen muss, ist ein ärgerlicher handwerklicher Fehler.

Das Buch lebt natürlich von den Fotos, die insgesamt in hervorragender Qualität sind, wobei diejenigen von den Winterspielen in Sapporo fast noch besser sind.

Bild und Text ergänzen sich kongenial. Immer noch aufregend zu lesen ist der ungemein packende Text von Heinz Maegerlein (1911–1998), einem der profiliertesten deutschen Sportjournalisten, der schon bei der Olympiade 1936 als Stadionsprecher tätig war.

Auch der Terroranschlag wird in angemessener Weise in die Berichterstattung einbezogen.

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Heide Rosendahl (Abbildung aus dem besprochenen Band).

Das Buch behandelt die Winter-Spiele und die Sommer-Spiele. Was waren das für Namen in Sapporo... Legenden... Erhard Keller. Rosi Mittermeier. Christian Neureuther. Und in München... Ikonen bis auf den heutigen Tag... Heide Rosendahl. Ulrike Meyfahrt.

Und was für eine heute kaum glaubhafte, tragische Geschichte um den damals weltbesten Skiläufer Karl Schranz aus Österreich. Weil er ein Jahr zuvor bei einem Fußballspiel ein Trikot mit einem Brauereinamen getragen hatte, wurde sein Status als Amateur angezweifelt und er durfte nicht starten. Welche Zeit ist vergangen seitdem...

Klaus Rinke: Zeit Raum Körper Handlungen

Auszug aus dem Vorwort von Götz Adriani (S. 8, 19):

“Obwohl diese Realismen, deren an Perfektionismus grenzende illusionistische Verfremdung als letzte Erkenntnis tiefer Inhaltlichkeit begrüßt wird, zugegebenermaßen frappierende Effekte erzielt, wächst das Unbehagen an der Art ihres reproduzierenden Könnens. (Es ist nicht ganz klar, worauf Adriani sich hier bezieht.)

Ein Künstler, der mit aller Schärfe auf den sich realistisch gebärenden Stilentwurf reagiert, ist Klaus Rinke. Ihn muß eine Zielsetzung, die das Reale nur illusionistisch streift, besonders treffen, da seine Überlegungen sich von Anfang an gegen jede Form der Illusion stellten. Er geht dabei so weit, dass er illusionär-interpretierende Verwirklichungen als anachronistische Vorhaben sieht” usw. usw.

Als Zielgruppe für seine Arbeiten nennt Klaus Rinke:
“besonders die Lehrer, die Studenten, die Schüler, die Akademiker”.

Auszüge aus dem Interview mit Karin Thomas (S. 16, 20):

Thomas: “So bezeichnet Ihr Begriff des Plastischen den Vorgang des prozessualen Komplexwerdens einer Idee?”

Rinke: “Ja, ...” (Rinke bezieht sich in der Antwort auf sein Projekt „12 Faß geschöpftes Rheinwasser“.) –

Thomas: “Hatte nicht das Bauhaus schon ähnliche Vorstellungen?” (Frau Thomas erwartet hier nachdrückliche Zustimmung.)

Rinke: “Das Bauhaus war sehr formal. Was wir heute brauchen, ist eine Totalarchitektur, die zuerst einmal Freiraum schafft, indem sie in das verbaute System unserer Lebensräume Offenheit freisetzt. Nur durch diese brutale Demontage verwinkelter Räume kann das Bewusstsein von Offenheit entstehen, das so fundamental wichtig ist, damit wir ein Gefühl für echte, gegenwärtige, in die Zukunft weisende Wirklichkeit entwickeln können. Eine Totalarchitektur ist zum Beispiel der durch Abriß entstandene Platz.” (Interview endet hier. Hervorhebungen im Original.)

Klaus Rinke: Zeit Raum Körper Handlungen

Der Perfomance-Künstler Klaus Rinke (*1939) sorgte
vor allem in den 70er und 80er Jahren mit seinen Darbietungen und Installationen für einige Aufmerk-
samkeit auf der Kunstszene. Am bekanntesten ist wohl sein 1987 entstandener “Uhrenpark” in Düsseldorf.

Der vorliegende Band ist der Katalog zur Ausstellung in der Kunsthalle Tübingen 1972. Das broschierte Buch an sich ist handwerklich nicht gerade etwas Besonderes. Die vielen Schwarz-Weiß-Fotografien sind durchgängig recht blass wiedergegeben. Der Rücken des Bandes verzieht sich schon vom Durchblättern. Auffällig ist natürlich die in zeittypischer Manier monochrom grün verfremdete Illustration des Titels. Aber ist das nicht Effekthascherei?

Der Band besteht aus zwei Teilen: Wortspielereien, die teils an eine beschriftete Tafel im 1. Schuljahr (vor Einführung der phonetischen Schreibweise), teils an Dadaismus erinnern. Und fotografierten Posen und Körperhaltungen in Räumen. Vor allem den Fotoreihen lässt sich eine gewisse Ästhetik zuschreiben, obwohl sie “kaum beabsichtigt” sei, so das Vorwort. Denn das wäre viel zu simpel und “illusionistisch”.

Klaus Rinke ist, wie viele Vertreter der “Modernen Kunst” ein cleverer Geschäftsmann und Selbstvermarkter, dessen Werken vom akademischen Kunstbetrieb und privaten Mäzenen große Bedeutung zugemessen wird und hochtrabende Analysen erfuhren, wo die tatsächlich vorhandene Substanz angezweifelt werden kann. Materiell abgesichert sind diese Künstler oft durch Professuren an staatlichen Kunsthochschulen.

Die Einleitung des Direktors der Kunsthalle Tübingen, Götz Adriani, verpasst den Exponaten einen derartig hochtrabenden theoretischer Überbau, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.

Ähnlich geht es zu in dem abgedruckten Interview mit der Kunsthistorikerin Karin Thomas. Die Sprache erscheint in Anbetracht des tatsächlich zu Betrachtenden wichtigtuerisch, die Fragen wirken beflissen und geben meist nur Stichworte, auf die Rinke antwortet: “Ja, ...” Nur bei der Antwort zum Bauhaus war Thomas wohl etwas überrascht (siehe linke Spalte).

So urteilt Der Spiegel (20/1975):

„Die Gefahr, banal oder tautologisch zu werden, ist dabei immer nahe.”

„Dabei kommen dann, neben Wortlisten und Konjugationstabellen, eigentümliche Merksätze über Raum und Zeit zustande: ‘Geht die Person rückwärts, so liegt die Zukunft in diesem Moment genau umgekehrt, wo vorher die Vergangenheit lag.’ Wie das? (...)

Der ungelenke Spruch formuliert als’Erkenntnis’, was allenfalls bildkünstlerisch einen Sinn ergibt: ‘Vorn’ in Marschrichtung kann für ‘zukünftig’ stehen, eine Umkehrung des Marschierenden verkehrt auch den Raum-Zeit-Bezug. Rinke gibt eine solche Bewegung in einer Zeichnungs-Reihe mit sich gleichmäßig öffnenden Radien wieder und markiert auf dem letzten Blatt mit einer zweiten Strichlage einen Start in Gegenrichtung – eine Arbeit, die gewiß Erklärung, aber keinen scheinwissenschaftlichen Überbau braucht und die ihren Wert ästhetischen Reizen mitverdankt. (...)

Rinke balanciert, exemplarisch für viel junge Kunst, riskant zwischen Banalität und dem falschen Anspruch, mit seinen knappen Stilisierungen ‘Analysen’ zu liefern, ‘die gesamte Basis’ und die ‘wirklichen Werte’ bloßzulegen.”

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Der Wettbewerb in der DDR

Die schönsten Bücher der DDR 1972

Die schönsten Bücher der DDR 1972

Im Vergleich zu den Vorjahren gibt es wenig Neues: einige handwerklich und drucktechnisch gut gemachte Bücher, jetzt auch wieder mit mehr Farbe, aber eine Auswahl, die so bieder und altbacken und wahrscheinlich auch repräsentativ für den gesamten Buchmarkt ist, dass einem die DDR-Leser leid tun konnten.

Auch bei den Kinderbüchern gibt es zu sehr Altbewährtes. Meist sind die Kinder hier kleine Schelme, die die Eltern schon mal ein bisschen necken.

Schon die Aufmachung des Heftes mit dem Leineneinband wirkt im Vergleich mit den anderen deutschsprachigen Ländern mittlerweile sehr antiquiert – ein bisschen wie Omas Sofakissen. Erst 1979 sollte sich Gestaltung des Einbandes etwas moderner werden.

Immerhin enthält sich jetzt die erneut ausufernde “Vorberichterstattung” jeglicher ideologischer Betrachtungen und immerhin wird dem der Prämierung von Karl Schmidt-Rottluff ein Zeichen der Öffnung gesetzt.

Karl Schmidt-Rottluff

Karl Schmidt-Rottluff

Der bekannte expressionistische Künstler Karl Schmidt-Rottluff (eigentlich Karl Schmidt, 1884–1976), Gründungsmitglied der Gruppe „Die Brücke” war in der DDR Ende der 40er Jahre in den Strudel der Formalismus-Debatte geraten. Seine Bilder wurden kaum noch angekauft und es gab keine Ausstellungen mehr. So kehrte er wie viele andere, der DDR den Rücken. Dort herrschte jetzt der „Sozialistische Realismus”.

Diese Vorgeschichte wird natürlich im ansonsten guten und verständlichen Vorwort von Karl Brix nicht angesprochen. Das Erscheinen des Buches signalisiert aber eine Öffnung der DDR-Kulturpolitik. 1982, sechs Jahre nach dem Tod des Malers, kam es dann in Chemnitz (damals: Karl-Marx-Stadt) zu einer Retrospektive mit Exponaten aus dem Besitz des städtischen Museums.

Mit der These "Kampf um eine humanistische Kunst" versucht der Herausgeber gar eine neue Einordnung der Künstlergruppe „Die Brücke” in die Kunstgeschichte.

Das sehr schöne Buch hat aus produktionstechnischen Gründen noch eine Zweiteilung in Buchdruck und Kunstdruck. Da waren Technik und finanzielle Ausstattung der Verlage im Westen schon weiter. Die Abbildungsqualität ist insgesamt sehr gut, aber das Hin- und Her-Blättern zwischen Text und Farbtafeln erscheint einem heute mühsam.

Schade ist, dass einige der Werke, deren Farbigkeit besprochen wird, dann in Schwarz-Weiß abgebildet und andere ausgiebig herausgestellte Bilder gar nicht vorhanden sind. Dazu bestanden in der DDR wohl nicht die Möglichkeiten.

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Ein Blick nach Österreich

Die schönsten Bücher Österreichs 1972

Die schönsten Bücher Österreichs 1972

Österreich hatte weiter sein silbernes quadratisches Format. Es wirkte nicht gerade sehr kreativ und sollte auch bald geändert werden.

Im Vorwort wird auf eine gestiegene Beteiligung der Verlage und von der Jury so gesehene Modernisierungstendenzen bei der Buchgestaltung hingewiesen.

Kritisch (auch selbstkritisch) wird dennoch die nochmals geringere Erfassung der Neuerscheinungen gesehen: nur 5,1 % wurden zur Begutachtung eingereicht. Damit sei die Aussage „Die schönsten Bücher” zugegebenermaßen „problematisch”. (Hierbei wird nach Ansicht des Chronisten aber nicht bedacht, dass es sich bei der großen Mehrheit der Bucherscheinungen um Massenware handelt, die von vornherein keinerlei ästhetische Ansprüche erhebt.) 86 eingereichte Titel bedeutet, dass 1972 in Österreich in Erstauflage nur rund 1700 Bücher erschienen, im Vergleich mit der BRD eine unfassbar niedrige Zahl. Einige österreichische Autoren gingen auch gleich zu den westdeutschen Verlagen, wie etwa Peter Handke (siehe oben).

14 Werke wurden ausgezeichnet, davon 4 Kinderbücher.

Welchen Eindruck macht die Auswahl? Man schwelgt weiter genießerisch in der Wiener Secession. Diesmal erhielt eine luxuriöse, heute antiquarisch  praktisch unerschwinglich teure Ausgabe von Egon Schiele den 1. Staatspreis. Typisch für den österreichischen Buchmarkt sind aber auch Titel wie „Meinungsforschung im Gebirge” sowie die beiden Publikationen mit katholischem Einschlag über sakrale und volkstümliche Kunst.

Aber es gibt ja auch noch Georg Trakl und Arik Brauer!

Brauer. Mit einem Essay von Wieland Schmied.

Brauer. Mit einem Essay von Wieland Schmied.

Arik Brauer (1929–2021) ist eines jener Wiener Originale, die Anfang der 70er Jahre auch in der Bundesrepublik mit ihren Gesangsdarbietungen populär wurden. Zu nennen wäre vor allem noch André Heller.

Noch bedeutender ist Arik Brauer als ein der Wiener Schule des Phantastischen Realismus zuzurechnender Maler. Seine Themen drehen sich um Sexualität, Sinnesfreude und Tod. Die Intensität des Werkes, der Farb- und Formenreichtum, die Phantasie, die Detailvielfalt machen Brauer zu einem der herausragendsten Künstler Österreichs.

Die vorliegende, umfassende Werkschau ist eines der schönsten Bücher des gesamten deutschsprachigen Raumes 1972. Die Ausstattung ist sehr hochwertig und es wurde an nichts gespart. Im Mittelpunkt stehen natürlich die “phantastischen” Bilder des Künstlers, in ausgezeichneter Qualität farbig reproduziert. Lediglich die Miniaturen der kompletten Werkschau sind schwarz-weiß, aber auch noch sehr gut.

Das Buch, aufgelegt in 4000 Exemplaren, enthält auch eine Single-Schallplatte mit den beiden famosen Liedern “Oho Halalali" und "Wia a Hund" und kostete damals umgerechnet etwa 140 DM. Ich erhielt es in neuwertigem Zustand und mit ungespielter Platte von einem Antiquariat aus Wien für 26 € inkl. Versand.

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...was macht die Schweiz?

Die schönsten Schweizer Bücher 1972

Die Schweiz hatte jetzt ein Heftformat, das lange Bestand haben sollte und in der Handlichkeit sowie der Gestaltung optimal war. Jedes Buch wird in mehreren, ausgezeichnet reproduzierten Ansichten abgebildet und kurz, manchmal auch mit kritischen Bemerkungen, vorgestellt. Hinzu kommen die wichtigsten bibliographischen Angaben, wenn auch nicht so exzessiv wie in Westdeutschland.

Die Auswahl ist sehr qualitativ und niveauvoll. Im Gegensatz zur BRD galt es hier wirklich, das schöne, das ansprechende, das ästhetisch-künstlerische Buch auszuwählen – jedenfalls noch. Klassenkampf, Provokation und Pornographie waren nicht gefragt. Dennoch kam ein durchaus modernes und vielfältiges Ergebnis zustande. Die Jury berichtete mehrfach ausführlich für die Fachpresse über ihre Tätigkeit.

Ausgewählt wurden 37 (im Vorjahr 27) Werke, was mit der gestiegenen Anzahl von Einsendungen, nämlich 229, begründet wird, einer Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr. Man hofft, dass das mit der eigenen Arbeit zu tun hat, seit sie unter der Schirmherrschaft des Innenministeriums steht. Mit 4 prämierten Kinderbüchern ist übrigens deren Anteil nicht so überproportional hoch wie in der BRD und Österreich.

Das Gros der eingereichten Werke kam wieder aus der deutschsprachigen Schweiz, auch die „welsche” war relativ stark vertreten.

Träger des Wettbewerbes war nicht eine Lobbyorganisation wie die Stiftung Buchkunst in der BRD, sondern die öffentliche Hand. Maßgeblich für die Auswahl waren nicht Buchgestalter und Verleger wie in der BRD, also Vertreter der Produzenten-Seite, sondern Chef der Jury war der Präsident der Buchfreunde („Bibliophilen-Gesellschaft”), also ein Vertreter der Konsumenten-Seite. Diese Unterschiede machten sich wohltuend bemerkbar. Allerdings sollte es nicht halten.

Bauen in der Schweiz

Bauen in der Schweiz

Der Verband des Schweizer Baugewerbes („Baumeisterverband”) hat zu seinem 75jährigen Jubiläum ein in jeglicher Hinsicht „repräsentatives” Werk in edler Aufmachung vorgelegt. Dabei wurde nicht der Fehler begangen, sich zu sehr auf die technische Seite zu beschränken, obwohl diese natürlich gebührend gewürdigt wird, zumal die natürlichen Begebenheiten der Schweiz das Baugewerbe besonders gefordert und zu höchsten Leistungen angeregt haben.

Nach der gelungenen historischen Einführung und neben den vielfältigen Bereichen des eigentlichen Bauens, vom Tunnel- bis zum Schulbau, wird auch der unternehmerische und der personelle Aspekt (dabei nimmt z. B. die Situation der Gastarbeiter breiten Raum ein) bis hin zur ausführlichen Darstellung des neuen Fortbildungszentrums dargestellt, wobei der verständliche Text sowie das stets hochwertige Bildmaterial auffallen.

Der Jury sagte die Gestaltung des Ledereinbandes nicht zu, jedoch ist eine allseits überzeugende Illustration bei dem Thema „Bau” auch schwer zu finden. Die Gestalter des BRD-Werkes „Ingenieurbauten unserer Zeit” entschieden sich 1958 für eine stilisierte graphische Darstellung. Das beim vorliegenden Band verwendete goldene Lot erscheint dem Chronisten als eine gute und durchaus passende Wahl.

Das Vorwort von Bundesrat (Minister) Ernst Brugger gewährt interessante Einblicke in die politische und gesellschaftliche Verfassung der Schweiz, die zur bundesdeutschen nicht nur punktuell unterschiedlich ist. Da wird ganz offen von der „liberalen Gesellschaftsordnung” und der „freien Marktwirtschaft”, die es zu erhalten gelte, gesprochen. Auch der Sprachduktus zeigt interessante Unterschiede, wo zum Beispiel „Bon sens” gefordert wird.

Constantine Manos: Griechische Impressionen

Constantine Manos: Griechische Impressionen

constantine_manosConstantine Manos (*1934), als Sohn griechischer Einwanderer aufgewachsen in South Carolina, USA, machte eine Bilderbuchkarriere als Fotograf, die ihn zu Ausstellungen in den bedeutendsten Museen der Welt und Veröffentlichungen in den angesehensten Fotomagazinen führte. Schon als 15jähriger war Manos professioneller Fotograf und blieb bis heute seiner Leica treu.

Die im vorliegenden Band gezeigten Aufnahmen entstanden in den 60er Jahren während mehrerer Reisen in die Heimat seiner Eltern Aphroditi und Dimitri, denen er das Buch auch widmete. Oft sind es Szenen auf den Inseln.

Viele der 112 Bilder sind in Bildaufbau und Anmutung von großer Perfektion und von erlesener Schönheit, geradezu Ikonen ihres Landes und ihrer Zeit. Themen sind der Alltag der griechischen Landbevölkerung. Die Arbeit auf dem Feld und zu Hause. Die Kinder, die Alten, der Priester. Das Café. Die Beerdigung, die Hochzeit (in dieser Reihenfolge). Beim Tanz. Am Meer. Eine sehr große Bedeutung haben auch die Haus- und Nutztiere.

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Die Aufnahmen sind fast durchgängig unterbelichtet, vor allem im ersten Teil, um dramatische Effekte zu erzielen und die Fotos wie Gemälde, fast wie Reliefs,  wirken zu lassen. Dadurch sind dunkle Flächen kaum durchzeichnet und verlaufen ins Schwarze. Man muss es mögen. Das Ergebnis ist eine bestimmte Sicht, “nicht ohne verhaltene Tristesse, aber mit dem Anmut einer Melancholie” (Klappentext). Die Helligkeit und Heiterkeit, die im Licht des Südens besteht und wie sie zum Beispiel auf den Bildern einer Voula Papaioannou zu sehen ist, sucht man hier vergebens, dies war aber auch nicht beabsichtigt.

Und so sollte man sich diesen Bildern hingeben. “Constantine Manos überließ sich einem Land – seinem Land – und wurde reich beschenkt... wie wir.” (Klappentext). Dem ist nichts hinzuzufügen.

1972_regenbogen

Max Bolliger / Helga Aichinger:
Der Regenbogen


Der Schweizer Max Bolliger (1929–2013) war einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kinderbuchautoren. Sein Stier “Alois” wurde weltweit ausgezeichnet.

Bolliger arbeitete mit mehreren Illustratoren zusammen. Für den “Regenbogen” konnte er die Österreicherin Helga Aichinger (*1921) Zwillingsschwester der bekannten Autorin Ilse Aichinger, gewinnen.

Der “Regenbogen” ist die neu erzählte Geschichte der Arche Noah. Das Buch lebt vor allem von den in einem sehr individuellen Stil gehaltenen Aquarellen der Illustratorin. Helga Aichinger sind Bilder gelungen, die teils anrührend, teils aber auch durchaus dramatisch, ja furchterregend sind.

Kombiniert mit dem kindgerechten Text ist ein beeindruckendes Bilderbuch entstanden, das völlig zu Recht zu einem der schönsten Schweizer Bücher des Jahres 1972 erwählt wurde.

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Hochgeladen am 13. Oktober 2017; zuletzt aktualisiert am 28. Juli 2023.

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Die auf dieser Seite vorgestellten Bücher wurden geliefert von: Buch-Galerie Silvia Umla (Auswahlheft BRD), Das Bücherhaus (Handke), KULTur-Antiquariat (Klassenkampf), Der Philosoph (Hundertwasser), Versandantiquariat Schürmann/Kiewning (Haber), Rheinischer Antiquarius (Rinke), Antiquariat Ballon + Wurm (Auswahlheft DDR), Norddeutsches Antiquariat (Schmidt-Rottluff), Antiquariat Cech, Wien (Brauer), Bouquinerie du Varis, Russy (Manos), Bücher von Matt Stans (Bauen in der Schweiz), Antiquariat Fluck (Regenbogen).

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