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1944, als Deutschland und Österreich die tiefsten Kriegswirren durchlebten, führte die Schweiz bereits den ersten Wettbewerb der “schönsten Bücher des Jahres” durch. Die städtischen Zentren der Schweiz waren schon lange ein Hort der Kunst und der Kultur und in einer Stadt wie Lausanne gab es seit jeher hervorragende Druckereien. Auch die Reformation hatte in ihrer calvinistischen Richtung Hauptbrennpunkte in Städten wie Genf und Zürich.

Den seit den 40er Jahren gewonnenen Vorsprung in der Vielfalt und Qualität der Literatur, soweit er sich im Wettbewerb der “schönsten Bücher” ablesen lässt, sollte man noch einige Zeit behalten, auch als die anderen deutschsprachigen Länder seit 1951/52 ähnliche Wettbewerbe durchführten.

Ganz sicher fördert die Drei- bzw. Viersprachigkeit der Schweiz die kulturelle Entwicklung und den Austausch der Ideen, natürlich nur durch die Basis einer allseits anerkannten gemeinsamen Staatlichkeit.

Die schönsten Schweizer Bücher des Jahres 1950

Die schönsten Schweizer Bücher des Jahres 1950 (Auswahlheft)

Der Katalog des Jahres 1950 hat mit Schriftfarbe und einem Abbildungsteil einen Stand, den Bundesrepublik, DDR und Österreich erst 1952/53 erreichen sollten.

In recht großer Breite finden sich 25 aus fast 200 vorgelegten Werken ausgewählte Bücher, neben den zu erwartenden historisch, religiös, naturkundlich motivierten Veröffentlichungen und Werken der klassischen Literatur auch eine moderne, österreichische Malerin wie Doris Wild, einen NS-kritischen deutschen Schriftsteller wie Ernst Wiechert oder den unten vorgestellten hochwertigen Kunstband eines litauisch-französischen Fotografen jüdischer Herkunft.

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Izis Bidermanas: Paris des Rêves

Izis Bidermanas war nicht ganz so berühmt wie etwa Robert Doisneau, wird aber dennoch zu Recht zu den bedeutendsten französischen Fotografen gezählt.

Izis, wie er sich kurz nannte, ging es um den Alltag der Menschen, den er grundsätzlich in Schwarz-Weiß im Stile des “Poetischen Realismus” abbildete. Vorwiegend war er in Paris unterwegs.

Der Band “Paris des Rêves” mit dem nicht gelungenen, weil atypischen Titelbild zeigt ganz seine bevorzugte Technik und Stilrichtung. Seine Fotos ergeben in der Gesamtheit eine Dokumentation des Paris der 40er Jahre, gezeichnet von Besatzung und Krieg.

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“Traumhaft” im Sinne der heutigen touristischen Werbung ist hier nichts. Es ist ein so ganz anderes Paris als man es heute kennt. Man sieht menschenleere Straßen, alte Menschen, Versehrte, Zurückgebliebene, Einsame, Bettler. Da sind auch Künstler, Straßenhändler, neben wenigen Autos auch noch Pferdegespanne, ein paar Kinder, auch die unvermeidlichen Verliebten. Über allem meist ein grauer, düsterer Himmel.

„Die Menschen, die ich fotografiere, nehmen mich gar nicht wahr, weil sie in der Regel vollkommen in ihre innere Welt, ihre Träume versunken sind.“ Für seine Sujets suchte er bevorzugt Menschen in ärmeren Stadtvierteln, die, wie er sagte, „unverkennbar vom Leben gezeichnet sind.“ (Wikipedia)

Deshalb wurde der Stil von Izis auch als “surreale poetische Melancholie” bezeichnet.

Das Buch ist handwerklich hervorragend gemacht. Die beeindruckend reproduzierten Fotos sind in der Regel ganzseitig, gehen teils auch über 1,5 Seiten. Jedem Bild sind passende Zitate von bekannten Künstlern gegenübergestellt, die in ihrer eigenen Handschrift („Autotypie”) abgebildet werden.

Leider erfährt man nichts von der Technik. Aber auf einem Portrait sieht man ihn natürlich mit einer Leica.

Bild: mastersofphotography.blogspot.de

Liturgie für die evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Aargau

Liturgie für die evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Aargau. 2 Bände.

Die Schweiz war immer neben den Niederlanden, Teilen von Belgien und Nordfrankreich sowie der Pfalz und Nassau eine der Hochburgen des Kalvinismus. Johannes Kalvin (Jean Calvin) und Ulrich Zwingli führten die sogenannte “Zweite Reformation” durch, die in einigen Punkten noch weiter ging als Luther.

In Deutschland wurden Anfang des 19. Jahrhunderts die lutherische und die reformierte (=kalvinistische) Kirche zur sogenannten “unierten” evangelischen Kirche zusammengeschlossen, zuerst 1817 im Herzogtum Nassau. Aus diesen unierten Kirchen entstand die heutige EKD. Kleinere Minderheiten verweigerten sich der Zusammenlegung und blieben lutherisch oder reformiert, genau wie sich auf der anderen Seite die alt-katholische Richtung von der vom Papst gesteuerten, “ultramontanen” römisch-katholischen Mehrheit abspaltete.

In der Schweiz hingegen entstand nie eine lutherische Richtung des Protestantismus und somit sind die evangelischen Kirchen reformierte Glaubensvereinigungen.

Dennoch existiert bis heute eine sehr große Vielfalt in den Landeskirchen der Schweiz. Die Synode der “Reformierten Kirche des Kantons Aargau” z. B. (wie man sich inzwischen nennt) vereinigt laut Wikipedia in sich folgende “Fraktionen”: Fraktion Kirche und Welt, Fraktion und Verein Lebendige Kirche, Evangelische Fraktion, Fraktion Freies Christentum und die Fraktion der Fraktionslosen.

In der 2-bändigen Liturgie wird eine große Auswahl an Gebeten, Predigten, Lesungen und dergleichen angeboten, geordnet nach Anlässen und Zielgruppen.

Die Bedeutung der textlichen Unterschiede zu lutherischen und katholischen Liturgien und Gebetbüchern werden nur Experten feststellen können. Die Sprache klingt wuchtig und alttestamentarisch angehaucht. Diese Fassung, an der die Arbeiten bereits 1944 begannen, ist aber nicht mehr oder kaum noch in Verwendung.

Die beiden Bücher sind gleichermaßen edel wie haltbar aufgemacht. Alles ist hochwertig: Einband, Papier, Bindung, Druck. Das Layout ist sehr übersichtlich und die relativ große Schrift gut lesbar. Das muss sie auch, da der Pfarrer aus dem Buch vorliest, in der Regel im Stehen.

Eine Besonderheit sind die 4 Lesebändchen, die jedes Buch erhalten hat und über die sich die Geistlichen gefreut haben werden.

Ein Schweizer Antiquariat lieferte mir perfekt erhaltene, wie druckfrische Exemplare, wusste dafür aber auch einen Liebhaberpreis anzusetzen.

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Hochgeladen am 4. Juni 2017; zuletzt aktualisiert am 4. Dezember 2018.

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Die auf dieser Seite vorgestellten Bücher wurden geliefert von: Aaronantiquariat, Berlin (Izis), Buchfink, Brugg (Liturgie).

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