1959. Die 50er Jahre gehen zu Ende. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es erste politische Anzeichen dafür, dass der Höhepunkt der Adenauer-Ära überschritten ist. Dazu gehört auch als Vorbereitung eines erst 10 Jahre später stattfindenden Machtwechsels die Verabschiedung des Godesberger Programms durch die SPD: Abkehr von einem dogmatischen
Marxismus, Anerkennung der Marktwirtschaft und der Westbindung. – In Kuba siegen die Revolutionäre unter Fidel Castro und Che Guevara.
Die schönsten deutschen Bücher 1959 (Auswahlheft)
Das Heft kommt im schon länger aufgelegten Format, diesmal in einem hellen Umbra. Ich halte ein neues, ungelesenes Exemplar in der Hand.
Das Layout hat durch den punktuellen Einsatz sehr großer Schrifttypen, durch dicke, schwarze, horizontale Trennlinien sowie großzügige weiße Flächen an graphischem Ausdruck gewonnen. In Kombination mit dem Hochglanzpapier, der Schrift Bembo und dem hochwertigen Druck ergibt sich eine moderne Anmutung des Heftes.
Unverzeihlich jedoch die Aufgabe der Listensortierung der vielen detaillierten Eigenschaften der Bücher. Diese werden jetzt in Fließtext gebracht, ohne sie in irgendeiner Form voneinander abzusetzen. Ihrem eigenen, mit vollem Recht immer wieder vorgebrachten, höchsten Prinzip der Lesbarkeit spricht die Jury so Hohn. Die Abbildungen sind schematischer, unschöner als vorher gesetzt.
Die einzige, aber wichtige und überfällige Verbesserung ist die Angabe der Auflagenhöhe.
Bei der Jury hat es eine wichtige personelle Veränderung gegeben. Den Vorsitz übernimmt wieder Georg Kurt Schauer
von Bertold Hack. Damit verbunden ist eine Schwerpunktverlagerung vom Börsenverein des deutschen Buchhandels (Hack) zur Deutschen Bibliothek, ebenfalls in Frankfurt, wohin Schauer, ehemals beim „Verein deutscher Schriftgießereien”, mittlerweile wechselte. Entsprechend ist eine überfällige, ungezwungenere Herangehensweise an die Buchgestaltung nicht zu erwarten gewesen. Erneut wird in dozierender Art auf unverrückbare Grundsätze gepocht, „typographische Schwarmgeisterei” attackiert und gegen schludrig gemachte, von „Gebrauchsgraphikern, Werbetextern und Journalisten beeinflusste Repräsentationsbücher der Wirtschaft” gehetzt.
Zum ersten Mal wird darüber informiert – immerhin im 8. Jahr des Wettbewerbs – , welche Bücher überhaupt Zugang zum Wettbewerb haben: sie werden aus dem Bestand der Deutschen Bibliothek genommen, in die damals schon eine Ablieferungspflicht von Druckwerken bestand. (Heute ist die Teilnahme am Wettbewerb an eine freiwillige und kostenpflichtige Einsendung und Bearbeitung gebunden. Dabei sind die Kosten deutlich höher als etwa nur die Portokosten. Man hat praktisch ein Gutachten zu zahlen.)
Weiterhin weigert sich die Jury aber, die Ablehnungskriterien im Einzelfall offenzulegen. Die Teilnehmer könnten es schon „erkennen”, wenn Sie den Auswahlband und die einschlägigen (aber im Text nicht weiter spezifizierten) Veröffentlichungen „aufmerksam” lesen würden.
Das Vorwort ist erstmals dreisprachig.
Dagmar Nick: In den Ellipsen des Mondes
Das sind wirkliche Gedichte, geschrieben für wirkliche Menschen, nicht die “Gehirnakrobatik” des unten folgenden Bandes.
Dies sind die Themen: Entfremdung des Menschen in der technisch-wissenschaftlichen Zivilisation, Zerstörung der Natur, Angst vor Krieg und der atomaren Apokalypse – und die Schmerzen der Liebe.
Die hochbetagte Lyrikerin Dagmar Nick kommt aus einer interessanten Familie. Sie ist Tochter eines Komponisten und einer Konzertsängerin. Ihr erster Mann war Übersetzer und Dramaturg. Nicht umsonst gelten bei der in Breslau geborenen Dichterin noch Schönheit und Eleganz des Textes, verbunden mit einer klassischen Haltung zu ihrem Genre: die Gedichte von Dagmar Nick reimen sich noch!
Peter Rühmkorf: Irdisches Vergnügen in g
Peter Rühmkorf war eine der prägenden Gestalten der Literaturszene der alten Bundesrepublik. Indes war der exaltierte, intellektuelle Stil dieses Autors oft schwer erträglich, wofür exemplarisch sein Spiegel-Artikel aus dem Jahre 1964 stehen möge.
Auch die 50 Gedichte des ausgewählten Bandes bieten an oder jenseits der Grenze zur Verständlichkeit liegende, selbstverliebte Wortspielereien, verfasst für Germanistik-
studenten und Literaturkritiker.
Das Buch an sich ist eine hübsch gemachte Englische Broschur (der Schutzumschlag ist am Rücken fest mit dem Buchblock verbunden) mit einem ungewöhnlichen, ins Augen “fallenden” Titelbild. Am Satz reizte die konservativen Juroren wohl die Gegenüberstellung von Gedichten in Antiqua- und Frakturschrift. Ob sich Rühmkorf auf den 200 Jahre dauernden Antiqua-Fraktur-Streit bezog, ist nicht ersichtlich.
Fritz Kühn:
Kompositionen in schwarz und weiß
Ein opulenter Bildband, in dem Fritz Kühn, gelernter Kunstschmied, Möglichkeiten der Schwarz-Weiß-
Fotografie aufzeigt. Er führt die Aufnahmen darauf zurück, was „Photographie” eigentlich heißt: Zeichnen mit Licht.
Strukturen, Muster und Formen findet Fritz Kühn in der Natur und der bebauten Umgebung. Typisch z. B. Straßenbeläge und Mauerwerk. Portraits gibt es kaum, herausragend und sehr modern aber die sinnliche Aufnahme auf S. 41. Am eindrücklichsten sind allerdings die fotografierten Arbeiten von Kühns eigentlichem Schaffensgebiet: Metall.
Das Buch ist vorbildlich und aufwendig gestaltet. Das fängt schon beim tollen Schutzumschlag an, der bis auf den heutigen Tag nichts von seiner Attraktivität verloren hat. Sehr geschickt auch die Einfügung von farbigen Trennblättern.
Friedrich von Schiller: Kassandra
Häufig wurden in die Auswahl Bücher gewählt, die damals gar nicht in den Handel kamen, sozusagen Sonder-
produktionen für Bücherfreunde.
Hier wurde die bekannte Ballade von Friedrich Schiller kongenial illustriert mit Holzschnitten von Hans Orlowski. Der 1967 verstorbene Berliner Künstler wurde leider nie “berühmt”. Die hohe Qualität seiner Arbeit kann in “Kassandra” bewundert werden.
“Dieser Druck wurde als Jahresgabe 1959 des Berliner Bibliophilen Abends zum 200. Geburtstag von Friedrich Schiller in der Hausdruckerei der Schriftgießerei H. Berthold AG in Berlin aus der Brudi-Mediaeval gesetzt und gedruckt.”
Das abgebildete Buch ist als Nr. 303 von insgesamt 530 Exemplaren ausgezeichnet und von Hans Orlowski mit Bleistift persönlich signiert.
Hassenpflug: Abstrakte Maler lehren
Dieses Werk ist eigentlich ein Projektbericht. An einer Klasse der Kunsthochschule Hamburg (heute: Hochschule für bildende Künste Hamburg) wurde in den Jahren 1953 bis 1956 eine Klasse für Gastdozenten eingerichtet, welche der abstrakten Malerei zugeordnet waren. Diese Künstler stellen jeweils in einem Vortrag ihre Herangehensweise vor. Jeweils werden auch zahlreiche Arbeiten der Studenten gezeigt.
Sehr interessant und auch verständlich für Laien ist es, zu beobachten, welche unterschiedlichen pädagogischen Konzepte die Künstler verfolgten und bei wem die Studenten die besten Ergebnisse erzielten, teilweise mit sehr beachtlichem und schon professionellem Niveau, etwa die bei Georg Meistermann entstandenen, teilweise kaum über Anfänge und Studien hinauskommend.
Gina Ruck-Pauquèt / Marianne Richter:
Der kleine Igel
Herzerwärmende Geschichte, die Kinder den Umgang mit Wildtieren lehren soll – und darüber hinaus die Themen Freiheit und Trennung.
Die Illustratorin Marianne Richter wendet verschiedene Techniken an. Am eindrucksvollsten sind die Bilder mit Wachsmalstiften.
Sehr erfolgreiches Bilderbuch, das viele Auflagen erfuhr, die letzte 1991.
Die Biographie von Gina Ruck-Pauquèt zeigt, was Erfolg in der Schule wirklich bedeutet.
Die Rechenstunde
Wieder einmal taucht ein Schulbuch auf der Auswahlliste auf. Man erkennt, dass gerade zu damaligen Zeiten des Kinderreichtums ein Schulbuchverlag ein lukratives Geschäft gewesen sein muss. 20.000 Exemplare von der „Rechenstunde” wurden in der erste Auflage gedruckt – und das nur für Nordrhein-Westfalen! Die Auflagenhöhe aller anderen Bücher auf der Auswahlliste liegt im vierstelligen, meistens im unteren vierstelligen Bereich. Einige wurden gerade mit 1000 Exemplaren aufgelegt.
Mit Szenen aus der Kinderwelt der 50er Jahre (Bauernhof, Spielplatz, Einkaufsladen) ist “Die Rechenstunde” ein schön illustriertes Buch. Interessant ist es, zu verfolgen, wie innerhalb von einem Schuljahr die Aufgaben immer komplizierter werden. Aufschlussreich wäre ein Vergleich mit einem aktuellen Rechenbuch, ob die heute erwarteten Rechenfortschritte größer oder kleiner sind. –
Ich erhielt vom Antiquariat Kunsthaus-Adlerstraße ein neuwertiges Exemplar, fast ein Wunder nach so vielen Jahren. Es waren sogar noch die kleinen Rechenplättchen vorhanden. (Wer die 20 Plättchen bei 20.000 Büchern wohl alle auf die beiden Klebestreifen angebracht hat?)
Der Wettbewerb in der DDR
Spiegel Deutscher Buchkunst 1959
Ein sehr gut erhaltenes Exemplar des in edlem nachtblauen Leinen gefertigten Auswahlbandes konnte ich von der Rosa-Luxemburg-Stiftung erwerben.
Deutschland befand sich kurz vor dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Die Fluchtwelle in den Westen schwappte immer höher. In dieser Situation merkt man der Kulturpolitik der DDR deutlich eine ideologische Verhärtung an.
Bereits im Vorwort wird dem „schönen Massenbuch” die Bestimmung zugewiesen, Bestandteil der sozialistischen Umwälzung und deren Sieg zu sein.
Die Jury berichtet: 337 Bücher waren diesmal eingereicht worden, von denen 51 Titel ausgewählt wurden. Beim ersten, nichtöffentlichen Teil der Auswahl, waren bereits – man darf getrost sagen: als Aufpasser – zwei Vertreter des Kulturministeriums zugegen sowie bezeichnenderweise zwei Verlagsmitarbeiter aus Ungarn, wo gerade drei Jahre vorher der Aufstand niedergeschlagen wurde, und auch nur aus Ungarn.
Zu den wichtigsten Auswahlprinzipien gehörten wie im Vorjahr das „preiswürdige Massenbuch” und die „Förderung neuer Ausdrucksmöglichkeiten” bei scharfer Ablehnung „modischer Effekte”.
Typisch für den DDR-Wettbewerb ist die Beachtung des Zusammenhangs von „Form und Inhalt”, während auf der BRD-Seite offiziell der Inhalt der Werke nicht berücksichtigt wurde.
„Entscheidend” und „noch konsequenter” als in den Vorjahren solle aber „die gesellschaftliche Qualität” bei der Auswahl berücksichtigt werden, d. h. ganz unverblümt die sozialistische Ausrichtung und nicht Ästhetik und handwerkliche Qualität des Buches. Das führte zu einem der gleichförmigsten und langweiligsten Ergebnisse des gesamten DDR-Wettbewerbs seit Bestehen. Noch nervtötender ist es, die Reden der Ministerialbeamten in voller Länge und wörtlich in den Bericht der Jury aufzunehmen. Ausführlich zu Wort kam auch Klaus Gysi, damals noch beim Börsenverein in Leipzig, der gegen den „Ästhetizismus” der früheren kapitalistischen Epoche wetterte.
Entsprechend häufig sind Werke vertreten, die die Leistungen der DDR und der „sozialistischen Bruderstaaten” herausstellen. Typisch sind Bücher wie „Des Sieges Gewissheit – ein Volksbuch vom Aufbau der Deutschen Demokratischen Republik” oder „Der Siebenjahrplan des Friedens, des Wohlstands und des Glücks des Volkes”. Auch die Publikation „Über die Kontrollziffern für die Entwicklung der Volkswirtschaft in der UdSSR in den Jahren 1959/1965” darf bei den „schönsten” Büchern der DDR nicht fehlen. Noch peinlicher ist der Grad von Unterwürfigkeit, wenn es auf der Auswahlliste nur so wimmelt von den sozialistischen Klassikern (obligatorisch Marx Engels Lenin) und noch schlimmer den aktuellen Spitzenpolitikern der DDR und der UdSSR (Walter Ulbricht und Otto Grotewohl – beide gleich mehrmals – , Johannes R. Becher, Nikita Chruschtschow). Auf diese Weise waren wohl die Bürger der DDR nicht zu belehren, wie „überlegen” die kulturelle Entwicklung in ihrem Staat war.
Vom Auswahlprozess her war beim DDR-Wettbewerb immer die Aufnahme von einigen Büchern mit (nur) „Lobender Erwähnung” interessant. Hier wurden in lehrreicher Art von der Jury gesehene Mängel aufgeführt. Offen wurden auch die Ursachen für die komplette Ablehnung von Büchern angesprochen.
Arnold Zweig: Pont und Anna
Auch in bitteren Zeiten erschienen ein paar schöne Bücher in der DDR. Bezeichnend allerdings, dass man in der Belletristik hauptsächlich auf die Vergangenheit zurückgriff.
Arnold Zweig war da natürlich über jeden Zweifel erhaben, war er doch der Nationalschriftsteller der DDR.
In der Novelle “Pont und Anna” aus dem Jahre 1928 beschreibt er die zum Scheitern verurteilte Beziehung zwischen einem Architekten und einer 20 Jahre jüngeren Tänzerin, dem Mädchen Anna.
Die Neuauflage lebt von den wunderbaren, lyrischen Zeichnungen des Künstlers Werner Klemke, die in einem genialen Gegensatz sowohl zum als kantig und unbeholfen beschriebenen Charakter des männlichen Protagonisten als auch zum spröden, sperrigen Schreibstil von Arnold Zweig stehen. Der vielbeschäftigte und ungemein proliferante Werner Klemke war überall, wo es um hochwertige Illustrationen ging. In der BRD kam er leider als “DDR-Künstler” nie so groß heraus. Die Zeichnungen für “Pont und Anna” gehören zu seinen besten Arbeiten.
Ein hochwertiger Leineneinband mit farbiger Prägung, orange-roter Kopfschnitt und ein mit dem hochgestellten Reihentitel graphisch ansprechender Umschlag runden das Bild ab. Ein unerklärlicher handwerklicher Makel ist der zu groß geschnittene Schutzumschlag, der leicht Läsionen erleidet.
Der Siebenjahrplan des Friedens,
des Wohlstandes und des Glücks des Volkes
Das sehr hochwertig produzierte Taschenbuch enthält über 320 (!) Seiten die mit vielen Fotografien, Schaubildern und Tabellen versehene Rede von Walter Ulbricht zur Einführung des Siebenjahresplans für die Zeit von 1959 bis 1965.
Rechtfertigung. Einschwörung und Einstimmung auf hohe Ziele der wirtschaftlichen Entwicklung – darum ging es hier. Aber schon bald zeigte sich, dass der Plan viel zu ambitioniert und seine Ziele nicht erreichbar waren. Immerhin wollte man den Lebensstandard des Westens nicht nur erreichen, sondern sogar überholen.
Ein Blick nach Österreich
Die schönsten Bücher Österreichs 1959
Wie im Vorjahr hatte die englische Broschur des österreichischen Wettbewerbs wieder einen illustrierten Einband.
Das knappe Vorwort informiert darüber, dass 21 von 90 eingereichten Titeln ausgezeichnet wurden (1958: 21 von 91).
Die Auswahl besteht schon traditionell aus den Hauptgebieten Kunstgeschichte, Religion, Landschaft und hübsche, heimelige Kinderbücher. Eine Ausnahme stellt „Architektur Automation Atom” von Kurt Auckenthaler dar. Aber insgesamt hat man ein bisschen den Eindruck, als sei die Moderne in Österreich noch nicht angekommen.
Christine Busta / Johannes Grüger:
Die Sternenmühle
Die christlich inspirierte Dichterin Christine Busta zeichnet in ihren Texten, die zwischen Lyrik und Prosa liegen und sprachlich nicht zu eingängig sind, in einem Gang durch die Jahreszeiten und vor einer ländlichen Kulisse ein verträumtes, anrührendes Bild einer (von Gott) behüteten Kindheit.
Die Gedichte sind kongenial umgesetzt und begleitet von Johannes Grüger, einem der bekanntesten Buch-Illustratoren im deutschsprachigen Raum. Grüger malt mit dunklen, gesättigten Farben und verschafft vor allem den Nachtszenen einen magischen Reiz. Typisch ist das Titelbild mit vielen an das Morgenland erinnernden Symbolen.
Das Buch wurde sehr populär, erfuhr zahlreiche Neuauflagen und ist bis heute im Handel. Die Abbildung zeigt (wie fast immer auf diesen Seiten) die Erstausgabe. Die Bindung war nicht optimal und wurde später verändert. Ebenso wird scheinbar nicht mehr die Renaissance-Antiqua (Mediäval) verwendet.
...was macht die Schweiz?
Die schönsten Schweizer Bücher 1959
Die Aufmachung des Katalogs eilte den anderen deutschsprachigen Staaten weiter voraus, aber wohl auch die Erfahrung mit den kaschierten Umschlägen.
Das sehr knappe Vorwort informiert über die Auswahl von 32 Titeln, davon “sieben Bücher aus den Verlagen der Westschweiz”, d. h. französischsprachig.
Die ausgewählten Werke seien auch “nicht alle frei von Fehlern” gewesen, seien aber “dem Wunschbild einer makellosen Gestaltung am nächsten” gekommen – eine Auswahlpolitik, wie man sie sich auch in anderen Staaten wünschen würde.
Schulamt der Stadt Zürich:
Die Schulen der Stadt Zürich
Was diesem Buch über sein eigentliches Thema hinaus einen hohen Wert verleiht, sind die Fotografien, die hauptsächlich von dem Schweizer Künstler Franz K. Opitz (1916–1998) beigesteuert wurden. Opitz und seine Kollegen haben sich ihrem nicht leichten Sujet mit einer Sensibilität und einer auch technischen Meisterschaft genähert, die nur noch Staunen machen.
Die sämtlich großformatigen Fotos entstanden mit Schülern aller Jahrgänge und aller Fächer, in allen möglichen Situationen. Da sieht man die Schüler mit Ernst, mit Eifer, mit Hingabe und auch mit Freude – und genauso wirken auch ihre Lehrer.
Sieht man sich die jungen Menschen an, versteht man, warum der Lehrerberuf ein Privileg ist. Immer ist man von Jugend umgeben und all dieser Lebendigkeit, dieser Frische, dieser Lebensfreude und auch dieser Schönheit.
Was aber am meisten auffällt und erst nach einigem Nachdenken klar ins Bewusstsein rückt, ist der größte Unterschied zu heute. Es ist die Ruhe, die hier herrscht. Die Nachdenklichkeit, die Gelassenheit und nochmals: die himmlische Ruhe. Kein Elektronik-Spielzeug und keine “sozialen Medien” lenken die Jugend ab und machen sie süchtig nach Zerstreuung und Selbstinszenierung. Überhaupt wirkt alles natürlich. Die Haltung der jungen Menschen, der Ausdruck, die Kleidung, die Frisur, ja sogar das Licht in den Räumen.
Zweifelsohne, wir sind in dem Buch in einer anderen Zeit, nämlich vor genau zwei Generationen. Und wir sind auch in einem anderen Land (als der Bundesrepublik).
Im Vorwort von “Schulvorstand J. Baur” gelten noch die Sprache und die Ziele, die ehedem galten und von denen man annahm, dass sie immer gelten würden. “Wahre und naturgemäße Bildung” soll hier vermittelt werden und die Jugend “zu guten Menschen und zu wertvollen Bürgern erzogen werden.” Hohe, staatstragende Werte, bei denen die Gemeinschaft im Mittelpunkt stand.
Überraschend ist, wie anders das Schweizer Schulmodell gestaltet ist. Da gibt es eine “Laienaufsicht” (!), die auch die halbjährliche (!) Visitation aller Klassen durchführt und da findet eine “Volkswahl (!) der Lehrer” statt. Um nur einige Unterschiede zu nennen.
Und dann denke ich noch einmal über diese Jungen und Mädchen nach. Jetzt (2019) sind sie bereits in Rente. Was werden sie wohl alles erlebt haben in ihrer Zeit als Bürger der Stadt Zürich und wohin es sie sonst verschlagen hat?
Hochgeladen am 7. März 2015; zuletzt aktualisiert am 25. Juli 2023.
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